Anorganische Chemie
Prof. Dr. Werner R. Thiel

Metallkatalysierte Oxidationsreaktionen

 

1. Olefinepoxidation mit Molybdänperoxo-Komplexen

2. Heterogenisierung von Molybdänperoxo-Komplexen

3. Vanadiumkatalysierte Oxidationsreaktionen

 

 

 
1. Olefinepoxidation mit Molybdänperoxo-Komplexen 
Peroxo-Komplexe früher Übergangsmetalle katalysieren die Epoxidation von Olefinen. Seit den frühen 70er Jahren wurden hierfür zwei prinzipiell verschiedene Möglichkeiten des Sauerstofftransfers diskutiert, die aber beide die Übertragung eines Sauerstoffatoms aus einem h2-koordinierten Peroxo-Liganden beinhalteten. 

Zur mechanistischen Untersuchung der Olefinepoxidation an siebenfach koordiniertenMolybdän-Katalysatoren verwenden wir neuartige Pyrazolylpyridin-Liganden mit langen Alkylseitenketten. Die entsprechenden Molybdänperoxo-Komplexe sollten einerseits keinem Ligandaustausch unterliegen, andererseits sollten sie sich aufgrund der Seitenketten in unpolaren Medien lösen. Aufgrund der Ligandstruktur entstehen die Molybdänperoxo-Komplexe als Gemisch zweier Isomere, die in Lösung miteinander im Gleichgewicht stehen. Ihre Löslichkeit ist stark abhängig von der Länge der Seitenkette. Sie sind hoch aktive und selektive Katalysatoren für die Epoxidation unfunktionalisierter Olefine in Gegenwart von H2O2 oder tBuOOH. Durch Variationen am Ligandgrundgerüst (Substituenten E, R, X und Y) kann die katalytische Aktivität der Komplexe optimiert werden, wodurch sich erstmals Struktur-/Wirkungsbeziehungen zwischen der elektronischen Situation der Liganden und der katalytischen Aktivität von Peroxo-Komplexen bei der Olefinepoxidation erhalten ließen.

Für Untersuchungen zum Sauerstofftransfer synthetisierten wir Peroxo-Komplexe mit olefinischen Seitenketten, die Katalysator und Substrat in einem Molekül vereinigen. Das folgende Bild zeigt einen Peroxo-Komplex mit Propenyl-Seitenkette. 

Diese Komplexe sind sowohl in Lösung als auch im festen Zustand inert gegen Autoepoxidation. Erst bei Zugabe eines Oxidationsmittels (H2O2 oder tBuOOH) setzt der Sauerstofftransfer auf das Olefin ein. Damit wirken diese Komplexe als Aktivatoren für Peroxide, die direkte Übertragung eines Sauerstoffatoms von einem Peroxo-Liganden auf die C=C- Doppelbindung, die ein zentraler Bestandteil der in der Literatur für Peroxo-Systeme diskutierten Reaktionsmechanismen der Olefinepoxidation ist, findet hier nicht statt. Daraus ergibt sich ein neuer Reaktionsmechanismus für die Epoxidation von Olefinen an Peroxo-Komplexen.

Die Verifizierung einzelner Schritte dieser Reaktionssequenz gelang uns mittels spektroskopischer und kinetischer Untersuchungen sowie quantenchemischer Rechnungen. So bildet sich die eigentlich katalytisch aktive Spezies erst im Verlauf der Reaktion über eine vorgelagerte Gleichgewichts- reaktion, was durch kinetische Untersuchungen belegt wurde. Ein entscheidender Punkt des Mechanismus, der Protonentransfer vom Alkylhydroperoxid auf einen h2-koordinierten Peroxo-Liganden, konnte durch NMR-spektroskopische Untersuchungen an 17O-markierten Oxobisperoxo-Komplexen in Gegenwart von Lewis- und Brønstedsäuren aufgeklärt werden. Die Synthese von Pyrazolylpyridin-Liganden mit einem 2-Hydroxycycloalkyl-Substituenten anstelle der Seitenkette brachte weitere Erkenntnisse über den Primärschritt des Angriffs einer OH-Gruppe (z. B, aus ROOH) am (O2)Mo-Fragment. 

Während sich im Festkörper intermolekulare R-OH···(O2)Mo-Wasserstoffbrücken ausbilden, zeigt die Verbindung in unpolaren Lösungsmitteln (z.B. CHCl3) eine intramolekulare R-OH···(O2)Mo-Wechsel- wirkung, die durch Zugabe von wasserstoffbrückenbildenden Lösungsmitteln (z. B. Aceton) aufgehoben wird. 

DFT-Rechnungen am Modellsystem (NH3)2MoO(O2)2 / CH3OOH belegen den stabilisierenden Einfluss von Wasserstoff-Brücken. Die nebenstehende Abbildung zeigt einige der optimierten Strukturen. Offensichtlich spielen Lewis-Säure-/-Base-Wechselwirkungen eine entscheidende Rolle bei der Aktivierung des Hydroperoxids.

Um diesen Sachverhalt zu untersuchen, synthetisierten wir die Molybdänperoxo-Komplexe einer Reihe von Pyrazolylpyridin bzw. -pyrazin Liganden mit elektronenziehenden und schiebenden Substituenten an den aromatischen Ringsystemen. Die katalytische Aktivität der Komplexe lässt sich mit dem Substitutionsmuster am Liganden korrelieren: je schlechter der Donor am Metallzentrum, desto höher die Epoxidationsaktivität. Dies ist die erste quantitativ ausgearbeitete Struktur-/ Wirkungsbeziehung bei Epoxidationskatalysatoren.Weitere Hinweise auf den Mechanismus der Sauerstoffübertragung ergeben sich aus Untersuchungen zur Thermodynamik der Gleichgewichtseinstellung zwischen den beiden Isomeren. NOESY-Kinetiken zeigen, daß die Einstellung des Gleichgewichtes zwischen den beiden Isomeren der Peroxo-Komplexe über eine partielle Ligand-Dissoziation verläuft (DS#: 70-80 J/K·mol, DH#: 95-110 kJ/mol). Einen möglichen Wechsel des Chelat-Liganden von der bi- zur monodentaten Koordination als Schlüsselschritt des Isomerisierungsgleichgewichtes bestätigen quantenchemische Untersuchungen. So zeigen Rechnungen am Modellsystem MoO(O2)2(NH3)2 + CH3OOH, dass der Austausch eines NH3- Liganden gegen CH3OOH nur schwach endotherm ist (ca. 5 kJ/mol). Grund hierfür ist vermutlich eine schwache O···H Wechselwirkung zwischen dem koordinierten Hydroperoxid und einem h2-Peroxo-Liganden. 

Ebenso benötigt der Protonentransfer vomHydroperoxid auf einen h2-Peroxo-Liganden, wie wir ihn in unserem Mechanismus postulierten, nur geringe Energie (ca. 19 kJ/mol ausgehend von MoO(O2)2(NH3)(CH3OOH). In der resultierenden Spezies geht der Alkylperoxo-Ligand eine h2-artige Koordination zum Molybdänzentrum ein. Dies wurde von Boche et al. als essentiell für die Aktivierung des Hydroperoxids postuliert. Durch die Aufklärung der Teilschritte des postulierten Mechanismus zur Olefinepoxidation an Oxobisperoxo-Komplexen des Molybdäns gelang es, eine Brücke zwischen den mechanistischen Vorstellungen bei frühen Übergangsmetallen (Ti, V) und den bisher isoliert betrachteten Peroxo-Systemen zu schlagen. 

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2. Heterogenisierung von Molybdänperoxo-Komplexen

Um heterogene Molybdänkatalysatoren für die Olefinepoxidation zu erhalten, wurden bisher verschiedene Wege genutzt. Ein Hauptproblem ist, dass das oktaedrische Mo(VI) nicht einfach in die tetraedrischen Positionen des Silikatgerüsts von Molekularsieben eingebaut werden kann. Eine neue Strategie, um Metallzentren in mesoporöse Silikate einzubinden, ist die Bildung eines Hybridmaterials durch kovalente Anbindung von Organometall- oder Koordinationsverbindungen. In den meisten bisher beschriebenen Beispielen ist jedoch zumindest ein Teil der beobachteten Aktivität auf ausgewaschene Molybdänspezies in Lösung zurückzuführen.

Mit unseren Molybdänperoxokomplexen [(L?L)MoO(O)2], die zweizähnige 2-(1-Alkyl-3-pyrazolyl)- pyridinliganden tragen, fanden wir einen effektiven Zugang zu einer kovalenten Verankerung solcher Katalysatoren auf mesoporösen MCM-41 Materialien unter milden Bedingungen. Die daraus resultierenden Materialien sind aktive und ausschließlich heterogene Katalysatoren für die Cyclooctenepoxidation.

MCM-41 Materialien können durch Kondensation von Kieselgel (aus TEOS und Wasser) in Gegenwart eines Templates (langkettiges Ammoniumsalz) erhalten werden. Wie in folgendem Bild dargestellt, bildet das Templat in Lösung röhrenähnliche Mizellen mit definiertem Durchmesser. Auf der polaren Oberfläche dieser Mizellen findet die Kondensation statt, welche letztendlich zu einer hexagonalen Anordnung von mit Silika umwandeten Poren führt. Nach Calcinierung können die verbliebenen Si-OH Gruppen genutzt werden, um Organosiliziumderivate aufzubringen. Die Azidität der Oberfläche kann durch den Einbau von Al3+ in das Silikagerüst variiert werden. 

Die geträgerten Katalysatoren wurden aus MCM-41 Materialien, wie im folgenden Bild gezeigt, dargestellt. Verbliebene Si-OH Gruppen wurden mit Me3SiCl silyliert, um die Oberflächenpolarität zu reduzieren.

Der Erfolg der Synthesen wurde durch Festkörper 13C- und 29Si-CP/MAS NMR-Spektroskopie bestätigt. Die synthetisierten Materialien zeigen Festkörper 13C-CP/MAS NMR-Spektren, die den Spektren der homogenen Katalysatoren ähneln. 

Durch XRD und BET-Untersuchungen wurden die Materialien weiter charakterisiert. Das folgende Bild zeigt die N2-Isothermen des unmodifizierten MCM-41 Ausgangsmaterials, des ligandsubstituerten Hybridmaterials und des Materials nach Entfernung der verbliebenen Si-OH Gruppen durch Silylierung. 

Die modifizierten, molybdänhaltigen MCM-41 Materialien wurden als Katalysatoren für die Epoxidation von Cycloocten getestet. Dabei diente tBuOOH als Sauerstoffquelle. Alle Proben zeigen gute Aktivitäten und hohe Selektivitäten (fast 100 %) für Cyclooctenepoxid, was im Einklang mit dem homogenen System steht, ein Auswaschen der aktiven Spezies konnte nicht beobachtet werden. Im allgemeinen ist die Aktivität Al-substituierter Materialien höher als die von reinem Si-MCM-41, zusätzlich erhöht die Silylierung von Si-OH die katalytische Aktivität. Die Recyclierbarkeit der modifizierten Katalysatoren wurde durch ihre Wiederverwendung in einem zweiten Reaktionsansatz untersucht.Für die recycleten Katalysatoren Si-7 und Al-7 nahm die Induktionsperiode, wie bereits in der ersten Durchführung beobachtet, deutlich zu, während die Reaktionsrate im Vergleich zu den frischen Proben leicht abnahm. Interessanterweise veränderten sich im zweiten Reaktionsansatz die katalytische Aktivität als auch die Induktionsperiode der recycleten Verbindungen Si-8 und Al-8 (beide mit silylierten Si-OH Gruppen) nicht signifikant, was auf die exzellente Stabilität und Recyclierbarkeit dieser Systeme hinweist.

Wir führen dieses Verhalten auf eine geringere Oberflächenpolarität nach der Silylierung zurück, was zu einer Erhöhung der Diffusion (von tBuOOH, tBuOH, Epoxide) entlang den Poren führt.

Wenn der Ligand bereits während der Synthese des MCM-41 Materials anwesend ist, können Hybridmaterialien erhalten werden, die beides vereinigen, einen hohen Gehalt an organischem Material und eine exzellente Kontrolle der Porendurchmesser. Dies führt zu heterogenen Katalysatoren mit hohen Aktivitäten für die Epoxidbildung.

Wenn jedoch das Templat weggelassen und gleichzeitig der Ligandprecursor während der Synthese des Silikamaterials zugegeben wird, erhält man in geringen Ausbeuten ein Material mit einer breiten Porendurchmesserverteilung, welches immer noch ein heterogener Katalysator ist. Um die Ausbeute dieses Materials zu erhöhen, wurden verschiedene Katalysatoren zugesetzt. Materialien, die jedoch auf diesem Weg erhalten wurden, zeigen deutliches Leaching der aktiven Spezies, was durch Adsorption von MoO(O)2 auf der Silikaoberfläche, das nicht an den Chelatligand koordiniert ist, erklärt werden kann. Möglicherweise wurden die Liganden in das Material eingebaut und sind somit für die aktive Spezies nicht länger zugänglich.

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3. Vanadiumkatalysierte Oxidationsreaktionen

Die Pyrazolylpyridin-Liganden sind ebenso in der Lage Vanadium(V)-Komplexe zu stabilisieren. Bei der Umsetzung von VOCl3 mit tert-BuOH erhält man den nebenstehenden, oktaedrischen V(V)-Komplex (orange: V; grün: Cl). 

Bei der Umsetzung von VOCl3 mit tert-Butylhydroperoxid (TBHP) beobachtet man dagegen die Chlorierung des Pyrazol-Rings. Diese Reaktion verläuft entweder über intermediär gebildetes Chlor oder tert-BuOCl und ist von vanadiumhaltigen Enzymen bekannt (V-Haloperoxidasen). 

Beide Komplexe katalysieren die Epoxidation von unfunktionalisierten Olefinen und von Allylalkoholen sowie die Oxidation benzylischer OH-Gruppen zu den entsprechenden
Carbonylen. Die Standzeiten des Katalysators erhöht sich beträchtlich durch den Ersatz des zweizähnigen Chelat-Liganden gegen ein dreizähniges System. 

Bei Verwendung eines zweizähnigen Alkoholato-Liganden (Pyrazolylcyclohexanol) reicht die Oxidationskraft von V(V) aus um einen Teil des Ligandsystems zu oxidieren. Es bildet sich (in schlechten Ausbeuten) der nebenstehende zweikernige V(IV)-Komplex, der in hohen Ausbeuten auch aus V(O)SO4 / LiCl zugänglich ist. 

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W. R. Thiel, 30.09.2004 stat