FACHBEREICH CHEMIE

Arbeitsgruppe Prof. Dr. H.-G. Kuball

Adresse: Prof. Dr. H.-G. Kuball
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Arbeitsgruppe von  Prof. Dr. H.-G. Kuball im Jahre 1996


Arbeitsschwerpunkte 1990 bis 2003

Die Grundlagen

Im Mittelpunkt der Forschung steht die molekulare und suprastrukturelle Chiralität anisotroper Phasen, die auf anisotrope Moleküleigenschaften zurückführbar ist. Die Anisotropie von Molekülstrukturen ist durch einfaches Hinsehen zu erkennen. Zwei unterschiedliche Arten der Anisotropie, die sich aus dem Aufbau der Moleküle aus Atomen verschiedener chemischer Elemente und aus einer unterschiedlichen Ausdehnung in verschiedene Raumrichtungen ergeben, fallen dabei sofort ins Auge. In Abb. 1 wird offensichtlich, daß das aus den Atomen Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff aufgebaute Aminoanthrachinonderivat in sich anisotrop und aufgrund der unterschiedlichen Ausdehnung in den drei Raumrichtungen formanisotrop ist. Viele wichtige Eigenschaften, wie z. B. die Polarisierbarkeit und die optische Drehung, aber auch die Absorption oder der Circulardichroismus, können aus der Struktur- oder Formanisotropie verstanden werden.

Ein Aminoanthrachinonderivat aus verschiedenen Raumrichtungen betrachtet

Abb. 1. Ein Aminoanthrachinonderivat aus verschiedenen Raumrichtungen betrachtet.

Eine besondere Art von Anisotropie zeigen chirale Moleküle. Bild und Spiegelbild eines chiralen Moleküles können durch Drehungen und Translation im Raum nicht mehr zur Deckung gebracht werden. Nach dieser von Lord Kelvin eingeführten Definition für chirale, geometrische Objekt ergibt sich sofort, daß chirale Moleküle in zwei Formen, einer Links- und einer Rechtsform, vorkommen können. Diese zwei spiegelbildlichen Formen werden als Enantiomere bezeichnet. Ein einfaches Beispiel für zwei enantiomere Objekte ist in Abb. 2 dargestellt. Vom Gesichtspunkt der Symmetrie aus betrachtet, sind alle Objekte chiral, die keine Drehspiegelachsen (Sn) besitzen.

Bild und Spiegelbild eines chiralen Moleküls

Abb. 2. Bild und Spiegelbild eines chiralen Moleküls (S1 = s ).

Die hier eingeführten zwei Formen von chiralen Molekülen zeigen in ihrem Anisotropieverhalten eine Besonderheit. Genau wie Bild und Spiegelbild durch Translation und Rotation nicht zur Deckung gebracht werden können, genauso kann auch in einer isotropen Verteilung chiraler Moleküle die mit der fehlenden Sn Symmetrie verbundene Anisotropie nicht zum Verschwinden gebracht werden. In Lösungen mit isotrop verteilten Molekülen kann diese Anisotropie über sogenannte pseudoskalare Eigenschaften nachgewiesen werden, während eine gegenüber der Sn-Symmetrie invariante Anisotropie unter diesen Bedingungen nicht mehr meßbar ist. Um auch diese molekulare Anisotropie nachzuweisen, müssen Moleküle geordnet werden. Dazu gibt es eine Reihe von Möglichkeiten. Eine hohe Ordnung besteht im kristallinen oder im flüssigkristallinen Zustand der Materie. Um ein zu untersuchendes Molekül hochgradig zu ordnen, kann dieses unter Bildung eines Gast/Wirtsystems in einer flüssigkristallinen Phase gelöst werden.

Die "flüssigen Kristalle", die eine Orientierungs- und eventuell auch Positionsfernordnung besitzen, nehmen eine Zwischenstellung zwischen Kristallen und Flüssigkeiten ein. Zum einen sind sie fluide und passen sich wie jede Flüssigkeit den äußeren Gefäßwänden an. Zum anderen zeigen sie Doppelbrechung, sind also optisch anisotrop, besitzen Polymorphie und zeigen damit Eigenschaften, die denen eines Kristalls entsprechen. Wie in Abb. 3 schematisch dargestellt, besitzen nematische und smektische Phasen eine für sie typische Orientierungs- und Positionsfernordnung.

Schematische Darstellung einer nematischen (oben) und einer smektischen (unten) flüssigkristallinen Phase

Abb. 3. Schematische Darstellung einer nematischen (oben) und einer smektischen (unten) flüssigkristallinen Phase, in der jedes Molekül als Strich dargestellt ist. Im smektischen flüssigen Kristall liegen die Schwerpunkte der Moleküle in einer Schicht. Die Pfeile geben die Vorzugsrichtung der Orientierung an.

Sowohl die nematischen als auch die smektischen Phasen sind in der Regel nicht chiral, wenn sie aus achiralen Molekülen aufgebaut sind. Wenn die die Phase bildenden Moleküle chiral sind, oder chirale Moleküle in der Phase gelöst sind, dann bilden sich chirale Strukturen in der Orientierungs- und der Positionsfernordnung der Phase; es ensteht eine suprastrukturelle Chiralität.

In Abb. 4 ist eine cholesterischen Phase dargestellt. Die Phase ist in fiktive Schichten zerlegt. Die Moleküle in jeder Schicht weisen im Mittel in eine Vorzugsrichtung, die durch die angegebenen Pfeile dargestellt ist. Beim Übergang von einer Schicht zur nächsten dreht sich diese Vorzugsrichtung um eine Achse senkrecht zur Schicht, wodurch eine helikale Struktur aufgebaut wird. Der Drehsinn des kontinuierlich helikal verdrillten Materials kann im oder entgegen dem Uhrzeigersinn sein, so daß man eine Links- oder eine Rechtsspirale, d.h. eine Links- oder Rechtshelix, erhält.

Schematische Darstellung einer cholesterischen Phase

Abb. 4. Schematische Darstellung einer cholesterischen Phase.

Der Circulardichroismus orientierter Moleküle

Um anisotrope pseudoskalare Eigenschaften chiraler Moleküle, wie den Circulardichroismus, zu untersuchen, müssen chirale Moleküle in einer Phase ohne suprastrukturelle Chiralität orientiert werden oder eine durch chirale Moleküle induzierte suprastrukturelle Chiralität durch besondere Maßnahmen wieder rückgängig gemacht werden. Der Circulardichroismus (CD) ist die unterschiedliche Lichtabsorption von links- und rechts- circular polarisiertem Licht. Über den CD ist die absolute Konfiguration eines Moleküls, die die reale Anordnung der Atome im Raum widerspiegelt, zugänglich. Unser Forschungsanliegen ist es, den CD an orientierten Molekülen (ACD) zu bestimmen. In diesem Fall betrachtet man das Molekül, wie in Abb. 5 dargestellt, von verschiedenen Seiten, um zusätzliche Strukurinformationen zu erhalten. Dazu löst man chirale Moleküle in einer nematischen Phase. Die dabei aus der nematischen Phase entstehende cholesterische Phase muß durch ein elektrisches Feld oder durch das Zumischen einer anderen Phase mit einer suprastrukturellen Chiralität entgegengesetzten Drehsinnes kompensiert werden, damit sie wieder eine "nematische", d.h. achirale Phasenstruktur erhält. Mit den Ergebnissen dieser Messungen können Helizitäts- und Sektorenregeln abgesichert werden, die zur Bestimmung der absoluten Konfiguration aus einem gemessenen CD Spektrum dienen.

Der Circulardichroismus  gemessen an einem orientierten Molekül

Abb. 5. Der Circulardichroismus , De*11, De*22 und De*33, gemessen an einem orientierten Molekül, gibt drei verschiedene Informationen über die Struktur eines chiralen Moleküls.

Die chirale Induktion cholesterischer Phasen

Vorzeichen und Ganghöhe einer durch ein chirales Molekül induzierten cholesterischen Phase (Abb. 4) sind sowohl für den chiralen Stoff als auch für die Zusammensetzung der Phase charakteristisch. Die Stärke dieser Induktion, die Helical Twisting Power (HTP), kann durch die auf eine Konzentrationseinheit bezogene reziproke Ganghöhe erfaßt werden. Interessant ist, daß sowohl das Vorzeichen als auch die reziproke Ganghöhe von der Orientierung der chiralen Moleküle in der Phase und damit von deren Orientierung zur Vorzugsrichtung aller Moleküle abhängig ist. Kleine Strukturänderungen am chiralen Molekül können daher große Änderungen der HTP bewirken. Zur Interpretation der HTP wurden Begriffe wie die intramolekulare und intermolekulare Chiralitätsübertragung eingeführt, mit denen beschrieben werden soll, wie die "Information Chiralität" des Moleküls in die "Information Chiralität" der Phase umgesetzt wird. Da Chiralität keine quantifizierbare meßbare Größe ist, darf man dabei auf keinen Fall die Frage stellen, "wieviel Chiralität ein Molekül besitzt und wieviel Chiralität auf die Nachbarphase übertragen oder von dieser aufgenommen wird". Bei der Diskussion der Übertragung von Chiralität kann daher nur von zwei Arten von Informationen gesprochen werden. Einmal kann die Information "absolute Konfiguration des Moleküls" sich als Information in der "absoluten Konfiguration der suprastrukturellen Chiralität der Phase" oder umgekehrt darstellen. Die Information, daß das Molekül die absolute Konfiguration R oder S besitzt, kann von der Phase als Helizität P (rechts) oder M (links) angezeigt werden. Zum anderen kann man den Standpunkt einnehmen, daß eine sogenannte pseudoskalare Meßgröße - z.B. der Circulardichroismus - sowohl als Moleküleigenschaft als auch als Phaseneigenschaft, an der entsprechenden induzierten cholesterischen Phase gemessen, miteinander vergleichbar sind. Es erhebt sich dann die Frage, ob das Meßergebnisse an der Phase als eine Verstärkung des Meßergebnisses am Molekül diskutiert werden kann. In der Literatur wird hierbei davon gesprochen, daß die Phase die Chiralität des Moleküls verstärkt. Diese Interpretation kann nur begrenzt akzeptiert werden, da nicht die Moleküleigenschaft sondern ein Signal, der Circulardichroismus, durch den Verband der Moleküle verstärkt wirkt. Daß der Effekt auf der molekularen Ebene eine andere Ursache als auf der Ebene der Phase hat, spielt für diese Diskussion nur eine untergeordnete Rolle.

Mit Hilfe eines allgemeinen theoretischen Ansatzes konnten wir die chirale Induktion auf einen Chiralitätswechselwirkungstensor Wij zurückführen, der als Produkt einer Phaseneigenschaft Lij und einer molekularen Eigenschaft Cij aufzufassen ist:

W ij = SCir Lrj.

Die Anisotropie der chiralen Induktion kann dann als Summe von Produkten aus einer Größe g *ii33, die die Ordnung der Phase beschreibt, und dem Chiralitätswechselwirkungstensor W *ii in ihrer Wirkung dargestellt werden:

Diese Darstellung erlaubt die Aussage, daß die Chiralität des Moleküls von der Phase je nach seiner Orientierung im Raum unterschiedlich gesehen und in unterschiedlicher Weise in eine suprastrukturelle Chiralität der Phase umgesetzt wird (Abb. 6). Dieses Verhalten ist auch über Computersimulationen - wie Monte-Carlo-Rechnungen - zu erhalten, in denen über Wechselwirkungspotentiale zwischen Paaren von Molekülen die chirale Phase beschrieben werden kann.

Gemessene und berechnete HTP von Dinaphtho-[2,1-d:1',2'-f][1,3]-dioxepin in ZLI-1695

Abb. 6. Gemessene HTP von Dinaphtho-[2,1-d:1',2'-f][1,3]-dioxepin in ZLI-1695 (s ), berechnete HTP (n ),
die g *1133 W *11 (+), g *2233 W *22 (x) und g *3333 W *33 (*) als Funktion von S*= 1/2 (3g *3333 - 1).

Die Ordnungsstrukturen von Phasen

Um quantitative Aussagen über die Struktur/Wirkungsbeziehung bei der chiralen Induktion cholesterischer Phasen und der optischen Aktivität anisotroper Systeme machen zu können, müssen Informationen über die Struktur der Moleküle vorliegen, die aus der Röntgenspektroskopie und durch molecular-modeling-Rechnungen erhalten werden, um die Spektren aus der NMR- und der polarisierten UV-Spektroskopie auszuwerten. Da die anisotropen Eigenschaften in geordneten Phasen untersucht werden, benötigen wir zusätzlich Informationen über die Phasenstruktur, d.h. Aussagen über die Ordnung der chiralen Moleküle in der flüssigkristallinen Phase. D.h. es werden Aussagen über die Vorzugsrichtung der Orientierung des Gastmoleküls und ein Maß für die Güte der Ordnung gesucht. Die Bestimmung dieser Informationen erfolgt in unserer Arbeitsgruppe mit Hilfe der 2H-NMR- und 13C-NMR-Spektroskopie. Bei der 2H-NMR-Spektroskopie wird aus den Quadrupolaufspaltungen der Deuteriumkerne des Moleküls im anisotropen Zustand und der Geometrie des Moleküls der Ordnungstensor berechnet. Bei der 13C-NMR-Spektroskopie werden die chemischen Verschiebungen der 13C-Kerne im anisotropen System herangezogen.

On-line Analytik bei der Pilzfermentation

Die bei uns entwickelten spektroskopischen Verfahren sind im Bereich der Biotechnologie geeignet, Fermentationsprozesse zu verfolgen. In diesem Zusammenhang ist ein Spektrometer entwickelt worden, mit dem wir einerseits über synchrone Fluoreszenz Wirkstoffe und Abbauprodukte analytisch bestimmen und andererseits über Streulichtprozesse die Trockengewichtkonzentration während einer Fermentation verfolgen können. In diesem Bereich sind zusätzliche Computersimulationen zur Berechnung der Intensität des Streulichtes erforderlich, da diese nicht mehr mit Hilfe der Mie-Theorie erhalten werden können, denn die Pellets können bis zu 1 mm groß werden. Damit ist hier mehr diffuse Reflexion als Streuung zu erwarten. Simulationen der Streulichtintensitäten sollen zur Absicherungen von experimentell bestimmten Eichkurven zur Bestimmung des Trockengewichtes aus der Streulichtintensität dienen.


Publikationsliste der Arbeitsgruppe Prof. Dr. H.-G. Kuball

Posterliste der Arbeitsgruppe Prof. Dr. H.-G. Kuball

Vortragsliste Prof. Dr. H.-G. Kuball

Chiral World

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Stand: 29.01.2003


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